Medikamenten-Engpässe

Das sind die Gründe

Jeder Sechste von uns war schon von Lieferengpässen bei Medikamenten betroffen.


Eine aktuelle Marketagent-Umfrage, die in den ersten beiden Monaten des Jahres 2023 durchgeführt wurde, zeigt: 17 Prozent der 1.000 befragten Personen zwischen 14 und 75 Jahren gaben an, selbst betroffen zu sein. Für mehr als ein Drittel der Befragten stellt die Knappheit von Arzneien eine Bedrohung dar.

Die Infos zur Umfrage gibt es hier für dich.

Laut dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen sind derzeit über 600 Medikamente nicht oder nur eingeschränkt lieferbar. Den gesamten Überblick zu den betroffenen Medikamenten gibt es hier.


Von Engpässen betroffen sind nicht hochpreisige und innovative Arzneimittel, die bei spezielleren Krankheiten zum Einsatz kommen, sondern hauptsächlich alltägliche Medizin: Antibiotika, Schmerzmittel, Fiebersenker. Besonders schwer ist es derzeit etwa, an Antibiotikasäfte für Kinder zu kommen. Aber was sind die Gründe für den Engpass, der ausgerechnet einfache und billige Produkte betrifft?

Die Jahreszeit


Auch wenn langsam der Frühling beginnt – viele Menschen sind wegen des kalten Wetters krank. Deshalb ist auch die Nachfrage nach Medikamenten hoch. 

Bis vor wenigen Wochen waren gleich drei Krankheitswellen parallel unterwegs:  Grippe, RSV und Corona. Derzeit sind Grippe & grippale Infekte immer noch stark. Die aktuell hohe Nachfrage nach Medikamenten trifft auf eine kritische Situation auf dem Weltmarkt.

 

Der Weltmarkt


Lieferengpässe bei Medikamenten und Medizinprodukten sind kein spezifisch österreichisches, sondern ein globales Problem, teilt die Apothekerkammer mit. 

Billige Allerweltsmedizin, bei der der Patentschutz abgelaufen ist, wird inzwischen wegen der geringen Produktionskosten fast ausschließlich in Asien hergestell. Bei vielen Produkten mit Engpässen kommen die Wirkstoffe von dort, in Europa erfolgen lediglich die letzten Schritte in Form der Verarbeitung zu Tabletten oder Saft.

Aus Asien wiederum läuft die Versorgung immer wieder schleppend. Ein wichtiger Grund dafür sind Lieferverzögerungen infolge der Nachwirkungen der Corona-Lockdowns in China. Steht etwa ein Containerhafen still, ist die Versorgung mit Produkten für lange Zeit gestört. 

Indien verhängte 2020 wegen Corona eine Exportsperre für bestimmte Medikamente. Die Folge war ein Paracetamol-Engpass (Schmerzmittel) in Europa. Ein ähnliches Problem gab es bei Thrombolytika, also Medikamenten gegen Thrombose, als einer der Marktführer in Europa seine Produktion pausierte.

 

EU und Österreich handeln langsam


Um solchen Problemen vorzubeugen, gäbe es Maßnahmen, wie eine staatlich vorgeschriebene Lagerhaltung bei bestimmten Medikamenten. Doch hier handeln Österreich und die EU sehr langsam. Der Pharmagroßhandel fordert seit Beginn der Pandemie ein Notfalllager für Medikamente in Österreich. Wirtschaftskammer-Funktionärin Sylvia Hofinger forderte auch einen "Pro-EU-Bonus", also einen Preiszuschlag bei Medikamenten, die in Europa hergestellt wurden.

In der EU wird daran gearbeitet, den Informationsaustausch zwischen den Ländern zu verbessern, ebenso plant man Modelle der Vorrats-Lagerung in den EU-Ländern. In Österreich soll immerhin im Jahr 2024 in Kundl in Tirol ein weiteres Antibiotikawerk eröffnet werden.

 

Die Generika


Würden Generika – also billige Nachbaupräparate, bei deren teureren Originalen der Patentschutz bereits ausgelaufen ist – helfen, die Situation zu verbessern? 

Die Meinungen darüber gehen weit auseinander. Vertreter der Pharmaindustrie und die Ärztekammer sehen in Generika weniger eine potenzielle Lösung des Problems als einen Mitgrund. Der Preiskampf, der auch aufgrund der Generika heftig tobt, führe nämlich erst dazu, dass Produktionen ins billige Asien verlagert werden, argumentieren die Vertreter der Industrie gern.

Andere halten dagegen: Gesundheitsminister Johannes Rauch hat vor kurzem – gegen den Widerstand von Ärztekammer und Pharmaindustrie – wieder einmal die Wirkstoffverschreibung durch den Arzt und Auswahl des vorhandenen Medikaments durch die Apotheken befürwortet. Wenn also ein bestimmtes Medikament gerade knapp ist, lässt es sich immerhin auf ein Generikum umsteigen.